Volkswohl Bund scheitert mit „Schreibtisch-Klausel“ in der BU Versicherung

BU Versicherung Volkswohl Bund

Volkswohl Bund scheitert mit Klausel in Berufsunfähigkeitsversicherung vor Gericht

In letzter Instanz hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. gegen einen BU-Versicherer – nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (faz.net) soll es sich um den Volkswohl-Bund handeln – stattgegeben.

Die Klage richtete sich gegen die Verwendung einer sogenannten „Schreibtisch-Klausel“ in den Versicherungsbedingungen der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU-Versicherung). Die Verbraucherschützer hatten bereits die beiden Vorinstanzen gewonnen.

AVB unterliegen einer Abschluss- und Inhaltskontrolle

Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Versicherers. Für AGB gilt unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes besonderes Recht.

Bereits seit 1977 bestand ein spezielles Gesetz, das 2002 aufgehoben und in das Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) überführt wurde. AGB sind nach § 305 BGB Vertragsbestimmungen, die vorformuliert sind und für eine Vielzahl von Fällen bereitgehalten werden.

Der Verwender – hier also der BU-Versicherer Voklswohl Bund – diktiert die AGB der anderen Vertragspartei, ohne dass darüber verhandelt würde. Das ist nicht anders als im Elektronikmarkt. Die AGB sind ausgehängt, und wer dort einkauft, erklärt sich mit den Konditionen einverstanden.

Vertragsbedingungen der Volkswohl Bund halten vor Gericht nicht stand

AGB unterliegen zunächst einer Abschlusskontrolle. Es wird also geprüft, ob sie überhaupt Vertragsbestandteil geworden sind. Im Elektronikmarkt werden die Bedingungen ausgehängt, für den Versicherungsvertrag sind die Informationspflichten im Versicherungsvertragsgesetz geregelt (§ 7 VVG). Der spätere Versicherungsnehmer muss die AVB und weitere Informationen rechtzeitig vor Abgabe seiner Vertragserklärung erhalten.

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Spannender für den vorliegenden Fall ist die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Selbst wenn AGB in einen Vertrag einbezogen wurden, sind sie trotzdem ungültig, wenn sie den Vertragspartner unangemessen benachteiligen oder einfach unklar formuliert sind. Um diesen Punkt ging es bei der Klage gegen die Volkswohl Bund Berufsunfähigkeitsversicherung.

Volkswohl Bund Berufsunfähigkeitsversicherung Klausel

Zu entscheiden hatten die Richter keinen Leistungsfall, sondern die Klage des Verbraucherverbands auf Unterlassung der Verwendung einer „Schreibtisch-Klausel“ zur BU-Versicherung. Ein Versicherungsinteressent hatte zwei Angebote erhalten.

Das erste galt für eine gewöhnliche private Berufsunfähigkeitsversicherung, die auf den zuletzt ausgeübten Beruf abstellt. Der Versicherungsschutz sollte 1.593,58 € jährlich kosten. Das zweite Angebot war günstiger, der Jahresbeitrag betrug 1.127,16 €. Es enthielt folgende BU Klausel:

„Als versicherter Beruf im Sinne der Bedingungen gilt die vor Eintritt des Versicherungsfalls zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit mit der Maßgabe, dass sie zu mindestens 90 Prozent als Schreibtischtätigkeit in Büro, Praxis oder Kanzlei ausgeübt wird. Im Falle einer BU-Leistungsprüfung erfolgt die Bemessung der Berufsunfähigkeit ausschließlich auf dieser Basis.“

Zunächst entschied das Gericht, dass es sich bei der BU Klausel um AVB nach § 305 BGB handele. Der Versicherer hatte zwar eingewandt, beide Angebote stellten lediglich die Extrempositionen dar, dazwischen gebe es Verhandlungsspielraum. Das ließ der BGH aber ebenso wie die beiden Vorinstanzen nicht gelten. Für den durchschnittlichen Kunden erweckt die Vorlage von zwei Angeboten nämlich den Eindruck, er müsse sich genau zwischen diesen beiden Möglichkeiten entscheiden.

BU Klausel bei der Inhaltskontrolle doppelt durchgefallen

Die Unwirksamkeit der BU Klausel aufgrund der Inhaltskontrolle stützt das Gericht auf die Intransparenz der Klausel. Aus der Formulierung gehe nämlich nicht klar hervor, dass sich der gesamte Versicherungsschutz gar nicht mehr auf den zuletzt konkret ausgeübten Beruf beziehe, sondern auf eine rein fiktive Tätigkeit, die zu 90 % im Sitzen ausgeübt wird, so der BGH.

Tatsächlich liest sich der Text so, als orientiere sich die Leistungsprüfung an der letzten Tätigkeit, wenn nur die anschließend formulierte Voraussetzung erfüllt sei. Gemeint ist die Klausel aber anders, wie der beklagte „Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit“ Volkswohl Bund im Prozess einräumte. Die gefährliche Deckungslücke wird aus der Klausel aber nicht hinreichend deutlich.

„Will der Beklagte dieses für den Versicherungsnehmer essentielle Interesse der Absicherung der Berufsunfähigkeit im zuletzt konkret ausgeübten Beruf nicht oder nicht vollständig übernehmen, so muss er dies dem Versicherungsinteressenten in unmissverständlicher Weise deutlich machen“, so das Urteil des BGH.

Gericht erklärt Verweisungsklausel für ungültig

Obwohl die Unwirksamkeit der Klausel bereits durch den Verstoß gegen das Transparenzgebot feststand, übt der IV. Zivilsenat unter Vorsitz der Richterin Barbara Mayen scharfe Kritik an der Vertragsbestimmung unter dem Gesichtspunkt der unangemessenen Benachteiligung. Das Gericht äußert erhebliche Bedenken an der Gültigkeit auch unter diesem Gesichtspunkt.

Faktisch entwertet die beanstandete Klausel den Versicherungsschutz bis auf das Niveau einer modifizierten Erwerbsunfähigkeitsversicherung nach der gesetzlichen Definition. „Dies ist indessen nicht Sinn und Zweck einer Berufsunfähigkeitsversicherung, die gerade der Absicherung der konkreten beruflich geprägten Lebensstellung dient“, schreibt der Senat in der Urteilsbegründung und beweist damit viel Sachkunde.

Ob das Preis-Leistungs-Verhältnis wegen des niedrigeren Beitrags angemessen ist, hat für die Inhaltskontrolle nach dem BGB keinerlei Bedeutung.

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