Grüne fordern gesetzliche Standards für die BU-Versicherung

Mit einer „Kleinen Anfrage“ an die Bundesregierung wollten die Grünen-Abgeordnete Nicole Maisch und die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen auf die in ihren Augen gescheiterte private Absicherung des Risikos einer Berufsunfähigkeit (BU) aufmerksam machen.

Sie – wie auch einige Verbraucherschützer – fordern die Beseitigung von Missständen in der Berufsunfähigkeitsversicherung, grundlegende Reformen und staatlich vorgegebene Standards zur Verbesserung des Schutzes.

Grüne Berufsunfähigkeitsversicherung

Anfrage der Grünen zur Berufsunfähigkeit im Bundestag

Aus den Antworten der Regierung, die mit Unterstützung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) formuliert sind, lässt sich eine Krise der BU-Versicherung zwar nicht ableiten, einige Fragen blieben jedoch offen.

Anfrage der Grünen zur Berufsunfähigkeitsversicherung

Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags sieht eine Beantwortung Kleiner Anfragen von Parlamentariern an die Bundesregierung gewöhnlich innerhalb von zwei Wochen vor. Umfangreiche Recherchen können also bei diesem Kontrollinstrument, das vor allem von der Opposition genutzt wird, nicht erwartet werden.

Immerhin reicht oft schon die Fragestellung, um auf vermeintliche Missstände aufmerksam zu machen. So geschehen für die Berufsunfähigkeitsversicherung.

Gesetzliche Erwerbsunfähigkeitsrente abgeschafft – Erwerbsminderungsrente unzureichend

Die Sorge der Grünen gilt einer Gesetzesänderung, die schon mehr als 16 Jahre zurückliegt. Zum 31. Dezember 2000 wurde die Erwerbsunfähigkeitsrente faktisch abgeschafft und durch eine Erwerbsminderungsrente ersetzt, die aber nur für die Jahrgänge 1960 und älter einen halbwegs vollständigen Schutz bietet.

Für jüngere Leute bedeutet die gesetzliche Erwerbsminderungsrente in den meisten Fällen den finanziellen und sozialen Abstieg. Deshalb empfehlen Verbraucherschützer eine private Berufsunfähigkeitsversicherung als sinnvolle Vorsorge. Im Ernstfall zahlt diese eine fest vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente.

  • Laut Statistik wird jeder vierte Erwerbstätige berufsunfähig. Sorgen Sie mit einer privaten BU-Rente vor.

Beste Berufsunfähgikeitsversicherung im Vergleich der Stiftung Warentest

Für alle anderen gibt es nur noch eine Grundabsicherung, die nicht geeignet ist, bei Verlust der Arbeitskraft den gewohnten Lebensstandard zu erhalten.

Der Rückzug des Staates aus diesem Segment kann nur durch private Vorsorge aufgefangen werden. Die ist aber genau für diejenigen unerschwinglich teuer, die sie am nötigsten brauchen, konstatiert Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen. Zudem besteht der Verdacht, die BU-Versicherer würden sich um ihre Leistungsverpflichtungen drücken.

Durchschnittliche BU-Rente in privaten Versicherungen bei 1000 Euro pro Monat

Die Zahl der privat abgeschlossenen selbstständigen BU-Versicherungen hat sich seit der Streichung der gesetzlichen Erwerbsunfähigkeitsrente vervierfacht, seit 1999 sogar verzehnfacht – rund vier Millionen Verträge sind es heute. Hinzu kommen knapp 13 Millionen Zusatzversicherungen ( BUZ Test ) im Rahmen von Lebensversicherungen.

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Allerdings ist hier nicht unbedingt eine Rente versichert, es kann auch eine Beitragsbefreiung für den Hauptvertrag sein. Betrachtet man deswegen nur die eigenständigen BU-Policen, bleibt festzuhalten: 26 Millionen Arbeitnehmer sind in Deutschland ohne entsprechende Absicherung, das sind 87 %.

Dabei sind Selbstständige noch gar nicht mitgerechnet. Gute Nachrichten gibt es immerhin bei der Rentenhöhe. Sie liegt derzeit bei durchschnittlich etwas mehr als 1.000 Euro im Monat und ist in den letzten Jahren entsprechend der Inflation gewachsen.

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Klauseln stehen Auszahlung von BU-Rente nicht im Wege

Die von der Abgeordneten Nicole Maisch kritisierten versteckten Ausschlussklauseln ( siehe BU Klausel )haben in der Praxis wenig Relevanz für Leistungsablehnungen. In der Antwort auf die Anfrage nennt Staatssekretär Meister Zahlen des Jahres 2014:

  • 77 % der Leistungsanträge wurden angenommen
  • 23 % abgelehnt oder vom Kunden nicht weiter verfolgt

Hauptgrund für Ablehnungen war, dass die in praktisch allen Verträgen enthaltene Untergrenze von 50 % Berufsunfähigkeit (BU) nicht erreicht wurde. Generell ist der Grad einer BU oft schwer festzustellen, gerade im Bereich psychischer Erkrankungen. Gutachter sind rar, die Bearbeitungsdauer ohne Verschulden der Versicherer deshalb oft lang.

Private Berufsunfähigkeitsversicherungen erhalten kaum Beschwerden

Insgesamt gibt die Versicherungswirtschaft aber kein schlechtes Bild ab. Auch die Beschwerdestatistik der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) lässt keine Auffälligkeiten in diesem Versicherungszweig erkennen. Die Beschwerdequote ist sehr gering.

Ein bekanntes Problem mit den Gesundheitsfragen im Versicherungsantrag ist allerdings nach wie vor nicht zufriedenstellend gelöst. Die Interessenten erfüllen ihre sogenannte vorvertragliche Anzeigepflicht nicht mit der nötigen Sorgfalt, vielleicht auch auf Druck und durch falsche Beratung des Vermittlers, der keine Ablehnung riskieren und Beitragszuschläge vermeiden will.

Falsche Angaben führen zu Zahlungsverweigerung

Wird ein Leistungsanspruch gestellt und stellt sich heraus, dass die eingetretene Berufsunfähigkeit mit einer nicht angezeigten Vorerkrankung zusammenhängt, verweigert der Versicherer zu Recht die Zahlung. Nur mit vollständiger Information ist er in der Lage, einen dem Risiko entsprechenden BU Beitrag zu kalkulieren. Kann er das nicht, muss das vertragliche Konsequenzen haben, besonders wenn eine arglistige Täuschung nachweisbar ist.

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Hier ist noch wichtiger Aufklärungsarbeit zu leisten, auch bei den Vermittlern. Eine BU-Versicherung, die auf falschen oder unvollständigen Angaben basiert, kommt zwar vielleicht ohne Risikozuschlag aus, ist aber völlig wertlos, wenn es darauf ankommt.

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